Update vom 22. April 2020
Am 20. April wurden zwei weitere Katzen in New York (zu den bisher bekannten 2 Katzen aus Hong Kong und aus Liege/Belgien) als SARS-CoV-2 positiv getestet. Beide hatten respiratorische Symptome, eine Katze war von einem Haushalt mit einen COVID-19 positiven Besitzer, bei der anderen Katze ist das nicht bekannt. Ändert das etwas am den aktuellen Empfehlungen: nein
Ein Update zum Tiger in Bronx-Zoo: zusätzlich wurden 3 weitere Tiger und 3 Löwen im gleichen Gehege mittels Kot-PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet, bis auf einen hatten alle milde respiratorische Symptome. Zwischenzeitlich sind alle gesund. Keine andere Wildkatze war symtomatisch oder positiv, diese sind aber auch in anderen Gehegen.
SARS-CoV-2 bei Haustieren testen, ja oder nein?
Verschiedene Veterinärlabore offerieren neu SARS-CoV-2 PCR-Tests für Haustiere. Die Spezialisten bei IVC Evidensia haben sorgfältig geprüft, wie sinnvoll dieser Test ist und empfehlen derzeit dringend diesen Test bei unseren Patienten NICHT durchzuführen. Die Begründung für diese Empfehlung, keine Corona-Tests durchzuführen, wird nachstehend ausführlicher beschrieben, kann jedoch wie folgt zusammengefasst werden:
Die Genauigkeit der Tests, insbesondere der positive Vorhersagewert (positiv prädiktiver Wert) bei Kleintieren ist zu gering um das Resultat wissenschaftlich vernünftig interpretieren zu können.
Die Konsequenzen bei einem positiven Resultat sind im Hinblick auf das Management des Patienten vernachlässigbar, können aber beim Besitzer zu starker Verunsicherung führen, schlimmstenfalls zur Euthanasie oder dem Aussetzen des Tieres.
Hintergrund
Die Covid-19-Pandemie ist ein Problem der öffentlichen Gesundheit und kein Problem der Haustiere. Der wichtigste Infektionsweg des Virus ist von Mensch zu Mensch. Derzeit besteht kein Hinweis, dass Haustiere eine Rolle bei der Verbreitung des Virus spielen.
Bis heute wurden weltweit mehr als zwei Millionen Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert. Trotzdem gibt es nur eine winzige Anzahl positiver Virustests bei Haustieren. Diese Haustiere wurden entweder experimentell mit hohen Virusdosen infiziert oder hatten Besitzer, die infiziert waren. Die Übertragung einer COVID-19 Infektion von Haustieren auf Menschen wurde bisher nicht beschrieben.
Welche Arten von Tests gibt es für SARS-CoV-2 bei Haustieren?
Seit kurzem werden PCR-Tests zum Nachweis von SARS-CoV-2 bei Haustieren kommerziell angeboten. Diese Tests erkennen die RNA des Virus, unterscheiden jedoch nicht zwischen Tieren, die mit dem Virus kontaminiert sind (passiver Träger) von Tieren, die tatsächlich mit dem Virus infiziert sind. Diese Tests zeigen auch nicht, ob das Tier infektiöse Viruspartikel ausscheidet und ob es für andere infektiös ist.
Derzeit gibt es kommerziell keine serologischen Bluttests zum Nachweis von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 bei Haustieren. Es gibt auch keine kommerziell erhältliche Viruskultur.
Die Labore, die den PCR-Test anbieten empfehlen, dass eine Tupferprobe aus den tiefen oberen Luftwegen (Nase oder Oropharynx) eingeschickt wird.
Wichtig ist zu wissen, dass die meisten Labore die Proben zusätzlich auf humane DNA untersuchen. Dies gewährleistet einerseits einen verantwortungsvollen Umgang (keine Proben von Menschen einsenden) und minimiert andererseits das Risiko einer kontaminierten Probe durch den Menschen.
Warum empfehlen wir aktuell KEINE Untersuchung auf SARS-CoV-2 bei Haustieren?
- Ein positives Resultat kann beim Tierbesitzer zu unnötiger Unsicherheit führen. Es kann v.a. nicht nachweisen, dass potentielle klinische Symptome des Tieres auf SARS-CoV-2 zurückzuführen sind. In Anbetracht der wahrscheinlich sehr geringen Prävalenz der Krankheit bei Haustieren wird auch bei einem hochspezifischen Test die falsch-positive Rate sehr hoch sein.
- Unter der Annahme einer Sensitivität von 80% (durch die schwierige Probenentnahme gibt es viele falsch negative Resultate) und einer Spezifität von 99,9% (PCR Tests, wenn korrekt durchgeführt, sind sehr sicher) wird der positive Vorhersagewert (positiver prädiktiver Wert) bei einer Krankheitsprävalenz von 0,0001% (es gibt nach heutigem Wissen praktisch keine positiven Haustiere) 7,4% betragen, d. h. 92,6% der positiven Ergebnisse sind falsch positiv!
- Haustiere mit respiratorischen Symptomen sollten hauptsächlich auf andere Ursachen als SARS-CoV-2 untersucht werden. Dies ist unabhängig davon, ob sie engen Kontakt zu einer Person mit einer COVID-19 Erkrankung hatten oder nicht.
- Für eine korrekt entnommene Tupferprobe aus den tiefen oberen Atemwegen ist eine Narkose erforderlich; dies kann ein Risiko für einen Patienten mit Atemwegserkrankungen darstellen.
- Bei einem positiven Testresultat können keine therapeutischen Maßnahmen vorgeschlagen werden, die über die allgemeinen Hygienehinweise hinausgehen. Ein positives Resultat könnte auch gravierende Konsequenzen wie Euthanasie oder Aussetzen des Tieres zur Folge haben.
- Haustiere spielen keine aktive Rolle bei der Verbreitung des Coronavirus. Gute Hygiene, häufiges Händewaschen und die bekannten Abstandsregeln (Social Distancing) sind immer noch der effektivste Weg, um die Übertragung einer Infektion zu verhindern.
- Eine Untersuchung auf SARS-CoV-2 bei Haustieren mag aus wissenschaftlicher Sicht interessant und wichtig sein, dies würde jedoch kontrollierte Studien einschließlich Histopathologie erfordern, um korrekte und aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen zu können. Ohne diesen Ansatz überwiegen die negativen Folgen bei unseren Haustieren.
- In der Humanmedizin besteht derzeit ein großer Bedarf an PCR Tests auf SARS-CoV-2. Daher müssen diese Tests für die Humanmedizin reserviert bleiben und ggf. sollten sogar kommerzielle Tiermedizinlabore humane Proben untersuchen, um die Kapazität der täglichen Tests steigern zu können. Dies bedeutet, dass die Ressourcen für Untersuchungen von Haustieren nicht ausreichend vorhanden sind.